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Prinzessin Clara: Siegfrieds Geheimnis (Märchen)

Wenn ihr mein Märchen Ellie, die kleine Waldfee und die traurige Prinzessin gelesen habt, dann kennt ihr Prinzessin Clara bereits und wisst, was sie gemeinsam spannendes erlebt haben. Es ist praktisch die Vorgeschichte zu diesem Märchen bzw. dieser Fantasy Erzählung, wie man das heutzutage vielleicht eher ausdrücken würde.

Prinzessin Clara und ihre große Liebe, der Stallbursche Siegfried, den sie eines Tages heiraten wird, kommen durch Zufall einem großen Geheimnis auf die Spur, von dem Siegfried selbst auch noch nichts wusste. Ein spannendes Märchen und mit mehr als 7 DIN A4 Seiten auch eine relativ lange Geschichte, die sich aber trotzdem auch als Gute Nacht Geschichte zum Vorlesen eignet. Auch Erwachsene werden dieses Märchen ganz sicher spannend finden.


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Natürlich dürft ihr, liebe Eltern und Großeltern, Kinder, Geschwister und Freunde dieses Märchen vorlesen und/oder ausdrucken (kostenlos). Dafür ist es ja da :-) Viel Spaß!!!


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Prinzessin Clara: Siegfrieds Geheimnis

Es war noch früh am Vormittag, als ein Diener Prinzessin Clara aufsuchte, die sich gerade im höchsten Turm der Burg befand. Von dort aus hatte man einen weiten Blick bis hin zum Zauberwald, in dem ihre Freundin Ellie, die kleine Waldfee, lebte. Der Diener war noch ganz außer Atem, nachdem er die vielen Stufen hinaufgestiegen war. „Verzeiht bitte die Störung, Prinzessin“, sagte er schnaufend, „aber euer Vater, der König, möchte euch und euren zukünftigen Gatten, den Stallburschen Siegfried sehen. Er erwartet euch in seiner Bibliothek.“


„Danke Johann“, antwortet sie freudig, „ich werde Siegfried holen und gleich zu meinem Vater gehen.“ Sie sprang auf und lief schnell die Treppe hinunter zum Stall, wo sie Siegfried fand, der gerade frisches Stroh hineinbrachte. „Clara“, rief er voller Freude und sie lief auf ihn zu, umarmte und küsste ihn. „Wir sollen zu meinem Vater kommen“, sagte sie dann, „er erwartet uns schon.“ „Hoffentlich hat er es sich nicht anders überlegt“, meinte der Stallbursche zweifelnd, doch die Prinzessin beruhigte ihn sogleich. „Das würde er nie tun, sei unbesorgt.“


Einige Minuten später betraten sie die Bibliothek, in der sich nur der König und sein engster Freund und Berater, der Feldmarschall befanden. „Vater“, rief Clara und fiel ihrem Vater in die Arme. „Clara mein Liebling, Johann hat mir schon berichtet, dass er Dich wieder im hohen Turm gefunden hat. Er wirkte etwas unglücklich darüber, dass er die vielen Stufen hinaufsteigen musste“, sagte der König schmunzelnd. „Eure Majestät, Feldmarschall“, begrüßte nun auch Siegfried die beiden Herren, nachdem Clara und der Feldmarschall sich ebenfalls freudig begrüßt hatten.


Er kam sich in deren Gesellschaft immer noch sehr klein und unbedeutend vor, denn schließlich war er das auch. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der König ihm seine Tochter zur Frau geben wollte, was er ohnehin immer noch nicht glauben konnte. Doch nachdem, was Clara für das Königreich getan hatte, war er ihr so dankbar, dass er seiner Tochter diesen Wunsch nicht verwehren wollte. Da er außerdem ein gutherziger und ehrlicher König war, hoffte Siegfried, dass sich daran nichts geändert hatte, auch wenn sein Stand als Stallbursche es ihm eigentlich niemals erlauben würde, die Prinzessin zu heiraten.


Schließlich wurden Hochzeiten eigentlich immer mit einem politischen Hintergrund geschlossen, auch um die Macht des Königreichs zu sichern und zu stärken. Aus diesem Grund heirateten immer Prinzen und Prinzessinnen aus verschiedenen Königreichen, um sich zu verbünden. Doch Claras Vater war das Wohl seiner Tochter wichtiger als neue Verbündete zu bekommen.


„Siegfried, Du brauchst nicht so verunsichert zu schauen“, sagte der König freundlich, „denn dafür gibt es keinen Grund. Ich halte mein Wort. Allerdings“, fuhr er in einem ernsteren Ton fort, „hat meine Entscheidung Deiner Vermählung mit meiner Tochter zuzustimmen auch für viel Unruhe gesorgt. Während das einfache Volk diese Entscheidung größtenteils feiert, da es zeigt, dass man auch über seinen angeborenen Stand hinauswachsen kann, sind viele Ritter und Adelige empört, dass ein einfacher Stallbursche schon bald mehr gelten wird als sie selbst.“


„Ich verstehe, euer Majestät. Aber dann wird diese Hochzeit wohl doch nicht stattfinden können“, erwiderte Siegfried traurig.


„Wo denkst Du hin, mein Junge? Ich bin immer noch der König und ich entscheide. Es wäre ja noch schöner, wenn ein paar eingebildete Ritter und Herzöge mir vorschreiben würden, wie ich zu regieren und wem ich die Hand meiner Tochter zu geben habe.“


„Aber Vater“, mischte sich nun Clara in die Unterhaltung ein, „wie willst Du denn verhindern, dass Du Dir damit viele Feinde in Deinem eigenen Königreich machst? Spätestens wenn Siegfried eines Tages neben mir auf dem Thron sitzt, werden sie versuchen an die Macht zu kommen.“


„Das Problem sehen wir genauso“, erwiderte ihr Vater. „Deshalb haben wir uns etwas ausgedacht. Feldmarschall, würdest Du ihnen bitte erklären, was wir uns überlegt haben.“


„Nun, wie ihr wisst, gibt es drei Möglichkeiten einen hohen Stand zu erreichen“, erklärte dieser. „Erstens, man wird bereits dort hineingeboren. Zweitens, man heiratet dort hinein, was jedoch am wenigsten respektiert wird und drittens, man wird zum Ritter geschlagen. Genau das ist unser Plan.“


„Jeder kann ein Ritter werden, doch dafür muss er erst von einem anderen Ritter zum Knappen genommen werden und daran scheitert es fast immer für jemanden aus einem niederen Stand, so wie ich es bin.“ Siegfried wusste immer noch nicht, wie das Problem gelöst werden sollte.


„Ganz einfach“, erklärte ihm nun der König. „Du wirst ab sofort Knappe von Ritter Martin. Martin von Hofingen. Er ist einverstanden und wartet bereits darauf seinen neuen Knappen in Empfang zu nehmen. Niemand wird es wagen Dich nicht anzuerkennen, wenn Du unter seiner Aufsicht ein Ritter wirst.“ Bei diesen Worten schmunzelte der König zufrieden, denn Ritter Martin war der beste und tapferste Ritter im gesamten Königreich.


„Euer Majestät, ich kann euch gar nicht genug danken“, erwiderte Siegfried voller Freude. „Ich werde hart arbeiten, damit ich Clara nicht als Stallbursche, sondern als Ritter zur Frau nehmen kann. Auch ich möchte mir den Respekt der Menschen durch meine Leistungen und mein Verhalten verdienen und nicht nur geduldet werden, weil ihr als König es so entschieden habt. Ich werde euch nicht enttäuschen!“


„Davon bin ich überzeugt“, stimmte ihm der König zu. „Du hast nicht nur ein gutes Herz, sondern bist ebenso tapfer und klug. Es wird eine harte Ausbildung werden, die normalerweise sieben Jahre dauert, aber wenn Du Dich gut schlägst, wirst Du sicher in spätestens drei Jahren ein Ritter sein.“


***


„Für mich müsstest Du kein Ritter werden“, sagte Clara, nachdem sie die Bibliothek wieder verlassen hatten. „Das weiß ich doch“, erwiderte Siegfried liebevoll, dem man die Erleichterung nach dem Besuch beim König anmerkte. „Aber ich bin sicher, es wird mir persönlich gut tun und mich auch auf die Aufgabe an Deiner Seite vorbereiten. Außerdem wird es meine Akzeptanz bei Hofe verbessern und so hoffentlich die meisten kritischen Stimmen verstummen lassen.“


Sie machten sich auf den Weg zu Ritter Martin, der sie bereits erwartete. Er wurde nicht nur auf Grund seiner kämpferischen Fähigkeiten bis weit über die Grenzen des Königreichs respektiert, sondern war auch als dem König bedingungslos ergebener, ehrlicher und gerechter Ritter bekannt.


„Prinzessin Clara“, empfing er sie, „seid gegrüßt und auch Du Siegfried.“ „Vielen Dank, Ritter Martin, seid auch ihr gegrüßt. Mein Vater hat euch bereits unterrichtet, dass Siegfried euer neuer Knappe wird?“ „Ja, so ist es und ich freue mich auf die Herausforderung ihn zu einem guten Ritter zu machen.“


„Es ist mir eine Ehre Ritter Martin“, antwortete nun auch Siegfried. „Ich werde hart an mir arbeiten und euch keine Schande bereiten.“ 


„Das will ich auch hoffen. Nichts anderes erwartet ich von Dir“, erwiderte der Ritter freundlich aber ebenso bestimmt. „Hast Du denn schon Erfahrung mit dem Schwert sammeln können?“


„Mein Vater hat mich einst darin unterrichtet, Herr Ritter.“


„Dein Vater? Wie kann es sein, dass der Vater eines Stallburschen den Schwertkampf beherrscht und unterrichten kann? Darüber möchte ich gerne mehr erfahren.“


„Das war bevor ich hier Stallbursche wurde, Herr Ritter. Meine Eltern und ich bewirtschafteten einen Hof, nicht weit entfernt von der Burg und am Abend, wenn die Arbeit getan war, unterrichtete er mich.“


„Das wusste ich ja gar nicht“, beteiligte sich Prinzessin Clara nun überrascht an der Unterhaltung. „Ich kenne Dich doch nun schon so viele Jahre, aber davon habe ich nie etwas mitbekommen und Du hast es auch nie erzählt.“


„Du hast es nie mitbekommen, da Du dann immer schon fort warst. Außerdem musste ich meinem Vater versprechen es nie zu erzählen, so lange ich auf dem Hof wohnen würde und als er dann vor einem halben Jahr starb und Du meine Mutter und mich in der Burg aufgenommen hast, habe ich nicht mehr daran gedacht, da es mir nicht wichtig zu sein schien. Ich hoffe Du nimmst mir das nicht übel.“


„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Clara. „Und ich dachte immer Deine Muskeln kommen von der harten Arbeit auf den Feldern und im Stall“, zog sie ihn auf.


Siegfried wurde etwas verlegen, aber glücklicherweise beendete Ritter Martin die für ihn etwas peinliche Situation. „Nun, dann wollen wir doch mal schauen, was Dir Dein Vater alles beigebracht hat. Du machst einen Übungskampf gegen Albert. Er ist der noch unerfahrenste der Knappen. Mal sehen, wie Du Dich schlägst.“


Albert kam mit zwei Holzschwertern auf ihn zu, von denen er ihm eines reichte. Inzwischen hatten alle Knappen ihre jeweiligen Arbeiten unterbrochen und schauten neugierig zu, wie sich der Stallbursche denn wohl schlagen würde. Die Kämpfer gingen in Position und als Ritter Martin das Kommando gab, stürmte Albert auf Siegfried los. Dieser wich geschickt zur Seite aus, so dass Albert ins Stolpern kam und fast gestürzt wäre. Als er sich wieder umdrehte, um einen erneuten Angriff zu starten brauchte Siegfried nur zwei Schläge, um ihn zu entwaffnen.


„Gut gemacht, Du bewegst Dich schnell“, lobte ihn Ritter Martin. „Doch um Deine Kampfkünste beurteilen zu können, ging der Kampf deutlich zu schnell. Harald, nun bist du an der Reihe.“ Harald war der älteste der Knappen und hatte schon reichlich Kampferfahrung aus unzähligen Übungskämpfen, viele davon auch mit richtigen Schwertern. „Na dann wollen wir doch mal sehen, wie Du Dich gegen einen richtigen Gegner schlägst“, sagte er grinsend zu Siegfried und hob Alberts Schwert auf.


Wieder ging es in Position und Harald ging sofort mit harten Schwerthieben auf Siegfried los, der Schritt für Schritt zurück gedrängt wurde, während er sich verteidigte. Die anderen Knappen feuerten ihren Kameraden an und grölten und johlten, als dieser weiter und scheinbar unaufhaltsam auf seinen Gegner losging. Prinzessin Clara wurde immer sorgenvoller, während Ritter Martin den bisher einseitigen Kampf interessiert beobachtete.


Schließlich gelang es Siegfried sich unter einem der Schläge hinwegzuducken und mit einigen flinken Schritten hinter Harald zu gelangen, der sich jedoch sofort umdrehte. „Na wer wird denn schon weglaufen, wo es doch jetzt erst interessant wird“, sagte er spöttisch. „Ich wollte nur nicht, dass womöglich einer der anderen Knappen verletzte wird, wenn Du so wild um Dich schlägst“, erwiderte Siegfried grinsend. Während Haralds Kameraden mit Buhrufen auf diese Provokation reagierten, stürmte dieser erneut los. 


Doch Siegfried hatte sich inzwischen an das Übungsschwert gewöhnt und parierte die Schläge des Angreifers nicht nur problemlos, sondern konterte diese sogar, ehe er zum Schein wieder in die Verteidigung ging. Übermütig versuchte Harald ihm mit voller Kraft den Rest zu geben, doch genau das hatte Siegfried erwartet. Er wich dem nächsten Schlag aus, gelangte so direkt neben seinen Gegner und schlug diesem mit ganzer Kraft gegen die Kniekehlen, so dass dieser auf seine Knie zusammensackte. Im nächsten Augenblick war Siegfried hinter ihm und hielt ihm sein Schwert an die Kehle. Er hatte gesiegt.


Ritter Martin klatschte anerkennend in die Hände und Prinzessin Clara strahlte erleichtert, während die anderen Knappen erstaunt verstummt waren. Siegfried ließ sein Schwert fallen, stellte sich vor den immer noch knieenden Harald und hielt ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. „Ein guter Kampf“, sagte er zu seinem besiegten Gegner, der ihn ungläubig anblickte und seine Niederlage noch gar nicht fassen konnte. Dann schlug er ein und ließ sich von Siegfried hochhelfen. „Ja“, erwiderte er, „ein guter Kampf. Aber ich habe die wichtigste Regel vergessen: Unterschätze nie einen Gegner!“ Dann grinste er und klopfte Harald anerkennend auf die Schulter. „Beim nächsten Mal wird mir das nicht mehr passieren.“


Nun kamen auch die anderen Knappen jubelnd auf sie zu, klopften Siegfried auf die Schulter und begannen ihn mit Fragen zu löchern, von wem er denn so gut kämpfen gelernt hätte, denn ein Bauer hätte ihm das ja nicht beibringen können und wie lange er schon trainiert hatte, u.v.m. Dann ertönte die Stimme von Ritter Martin: „Siegfried, Du hast Dich sehr gut geschlagen. Deine Kampftechnik ist sehr gut ausgereift und Du kämpfst noch dazu sehr klug. Das kann Dir nur ein Ritter beigebracht haben. So sag uns doch, wer dies gewesen ist.“


Die Knappen waren verstummt, doch Siegfried kannte keine andere Antwort als das, was er schon vor dem Kampf geschildert hatte. „Wie ich bereits sagte, Herr Ritter. All das hat mir mein Vater beigebracht, den ich nur als Bauern kannte. Vielleicht kann euch jedoch meine Mutter mehr über ihn erzählen. Um diese Zeit müssten wir sie im Gemüsegarten der Burg finden.“


Ritter Martin, Prinzessin Clara und Siegfried machten sich sogleich auf den Weg und trafen sie auch wie erhofft an. Als sie den ungewöhnlichen Besuch bemerkte, der auf sie zukam, blickte sie auf. „Siegfried, ist etwas geschehen? Herr Ritter, ich hoffe es ist alles in Ordnung.“ „Das ist es, werte Dame, sogar mehr als das. Allerdings habe ich ein paar Fragen zu Siegfrieds Herkunft.“ „Werte Dame?“, wiederholte sie verwundert. „Ich bin doch nur eine einfach Bäuerin, die das Glück hatte, dass sich die Prinzessin ihrer und ihres Sohnes angenommen hat.“


„Du bist die Mutter meines geliebten Siegfrieds, Gerlinde, da war es das Mindeste, was ich zunächst einmal für euch tun konnte, als sein Vater gestorben ist. Schon bald wirst Du nicht mehr im Gemüsegarten arbeiten müssen“, sagte Prinzessin Clara freundlich zu ihr. „Aber das ist nicht der Grund, warum wir hier sind.“


„Gerlinde, ihr müsst wissen, dass ich mich soeben davon überzeugen konnte, dass Siegfried ein ausgezeichneter Schwertkämpfer ist“, meldete sich Ritter Martin wieder zu Wort. „Die Art und Weise, auf die er kämpft, kann er unmöglich von einem Bauern erlernt haben. Also gehe ich davon aus, dass sein Vater in Wirklichkeit ein tapferer und edler Ritter war und ihr seine Gemahlin.“


„Ist das wahr, Mutter? War Vater wirklich ein Ritter?“


Gerlinde seufzte. „Ich glaube es ist wirklich an der Zeit, dass Du die Wahrheit erfährst, Siegfried. Vor vielen Jahren lebten Dein Vater und ich glücklich am Hofe eines weit entfernten Königreichs. Dein Vater war nicht nur der tapferste Ritter des Königs, sondern schon seit Kindertagen auch sein engster Vertrauter. Eines Tages jedoch kam Dein Vater mit einem Säugling zu mir, einem Jungen, der erst wenige Tage alt war. Wir müssten sofort aufbrechen, sagte er und dass wir dieses Waisenkind als unser Kind annehmen würden. Eine große Armee hatte das Königreich überfallen und es gab keine Rettung mehr, so dass der König mit einem Teil seiner Ritter floh und den Rest von ihnen befahl sich in alle Winde zu zerstreuen, sich unauffällig zu verhalten und auf Nachricht von ihm zu warten.


Wir durchquerten zwei andere Königreiche, ehe wir uns hier schließlich sicher fühlten und uns als einfache Bauern niederließen. Doch es kam nie eine Nachricht vom König, in der er uns aufgefordert hätte zurückzukehren, um sein Königreich zurückzuerobern. So lebten wir unser Leben unauffällig und als Du alt genug warst begann Dein Vater mit Deiner Ausbildung zum Ritter. Zumindest so weit, wie man das im Verborgenen tun konnte. Wir waren glücklich, bis Dein Vater erkrankte und schließlich starb. Für uns machte es keinen Unterschied, dass Du nicht von unserem Blut warst, denn für uns warst Du immer unser Sohn und wirst es auch immer bleiben. Ich hoffe Du kannst uns verzeihen, dass wir Dir nie die Wahrheit über Deine Herkunft gesagt haben.“


Gerlinde blickte Siegfried mit Tränen in den Augen und einer Mischung aus Hoffen und Bangen an. Niemand sagte etwas, so dass man lediglich ein paar Bienen summen hörte. Ihre drei Zuhörer waren noch dabei das soeben Gehörte zu verarbeiten, bis schließlich Siegfried das Wort ergriff. „Du wirst immer meine Mutter bleiben, auch wenn nicht Du es warst, die mich zur Welt gebracht hat und es wird für mich auch immer nur einen Vater geben, denn er war es, der mich gemeinsam mit Dir großgezogen hat“, sagte er liebevoll zu seiner Mutter. „Ihr beide habt mir mehr Liebe geschenkt, als es meine leiblichen Eltern je hätten tun können.“


Dann machte er einen großen Schritt auf seine Mutter zu und schloss sie in die Arme. „Wie hätte ich jemals ahnen können, was ihr alles aufgegeben habt, um mich zu beschützen und großzuziehen. Es tut mir so leid, dass es so gekommen ist“, und bei diesen Worten füllten sich seine Augen mit Tränen. „Aber nicht doch“, erwiderte seine Mutter schluchzend, „alles ist gut so, wie es gekommen ist.“


Es vergingen noch einige Augenblicke, ehe sie ihre feste Umarmung wieder lösten und Prinzessin Clara stand nur stumm daneben, während auch ihr Tränen der Rührung über die Wangen rannen. Selbst der tapfere Ritter Martin schien nun „etwas im Auge zu haben“, denn er wischte sich ungewöhnlich oft mit seinen Handrücken die Augen aus. Schließlich räusperte er sich und sprach: „Vielen Dank Dame Gerlinde, dass ihr uns die Wahrheit gesagt habt. Auch ich bewundere euren Einsatz für Siegfried und dass ihr euer wohlhabendes Leben aufgegeben habt, um ihm eine sichere Zukunft zu ermöglichen.“


„Gerlinde, ich hatte ja keine Ahnung“, meldete sich nun auf Prinzessin Clara mit immer noch stockender Stimme zu Wort. „Ich werde sofort mit meinem Vater reden, damit er euch ein schönes Zimmer herrichten lässt und im Gemüsegarten braucht ihr natürlich auch nicht mehr zu arbeiten.“ 


„Ich danke euch Prinzessin, aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Hauptsache mein Siegfried und ihr werdet glücklich, mehr wünsche ich mir gar nicht. Und im Gemüsegarten bin ich sehr gerne“, ergänzte sie verschmitzt. „Nun, den wollen wir euch dann natürlich nicht wegnehmen“, erwiderte Prinzessin Clara schmunzelnd. „Aber in Zukunft werden eure Besuche hier immer freiwillig sein und ihr dürft selbst auswählen, wer euch bei der Arbeit dort unterstützen soll.


Wir sollten meinem Vater natürlich auch davon erzählen, was wir soeben über Deine Herkunft erfahren haben. Wenn das bekannt wird, wird es Deinen Status gegenüber den Edelleuten auf jeden Fall stärken, was ihn sicher beruhigen wird.“


„Da hast Du sicher recht“, stimmte ihr Siegfried zu. „Allerdings weiß ich nun eigentlich noch weniger als vorher.“


„Wie meinst du das?“


„Nun, ich kenne jetzt zwar die wahre Herkunft meiner Eltern, was für mich persönlich rein gar nichts ändert, aber wer ich eigentlich bin, das ist ein Geheimnis, von dem ich bisher noch gar nicht wusste, dass es existiert.“


„Vielleicht kann ich Dir in dieser Hinsicht doch weiterhelfen“, meldete sich Gerlinde erneut zu Wort. „Dein Vater hat mir nie etwas über Deine genaue Herkunft verraten, um mich nicht zusätzlich in Gefahr zu bringen, aber er hat Dir etwas hinterlassen, dass möglicherweise helfen könnte, dieses Geheimnis zu lüften.“


***


Eine knappe Stunde später waren Prinzessin Clara und Siegfried auf dem Weg zum alten Hof seiner Eltern. Sie hatten dem König sogleich berichtet, was sie von Gerlinde erfahren hatten, und dieser war erleichtert gewesen, dass die Edelleute nun keinen Grund mehr haben würden, sich über Siegfried als zukünftigen Gemahl seiner Tochter aufzuregen. Danach hatten sie ein paar schnelle Pferde aus dem Stall geholt und waren losgeritten, um auch Siegfrieds letztes Geheimnis zu lüften. Ritter Martin hatte darauf bestanden sie persönlich zu begleiten, denn auch er wollte gerne erfahren, wer Siegfrieds leibliche Eltern waren.


Eine weitere Stunde später erreichten sie schließlich den Hof auf dem Siegfried aufgewachsen war und auf dem er auch Prinzessin Clara vor vielen Jahren kennengelernt hatte. Sie hatten immer im nahen Wald verstecken gespielt und viel Spaß gehabt, während ihre Leibgarde auf dem Hof gelagert hatte und wartete. Immer wieder wollte die damals noch sehr junge Prinzessin Siegfried besuchen und als sie schließlich etwas älter waren, wurde aus Freundschaft schließlich Liebe.


„Der Hof sieht ganz schön verwildert aus“, stellte Clara fest, als sie sich dem Haus näherten. „Das ist auch kein Wunder, erwiderte Siegfried, „denn die umliegenden Felder wurden zwar nach Vaters Tod von unseren Nachbarn übernommen, für das Haus und den Hof selbst interessierte sich jedoch niemand.“ 


Die Tür war nicht verschlossen und als er eintrat atmete Siegfried den Duft der Vergangenheit ein. Es war zwar erst ein halbes Jahr her, dass er sein Zuhause verlassen hatte, doch es erschien ihm jetzt schon wie eine Ewigkeit, denn auf der Burg des Königs lebte er inzwischen ein ganz anderes Leben. In der großen Stube war alles noch so ordentlich, wie seine Mutter und er es verlassen hatten. Der Tisch, die Stühle, die Küchenmöbel und die Schränke standen immer noch unversehrt an Ort und Stelle.


Siegfried ging auf den Kamin zu. Der Fußboden bestand aus Holzdielen und die letzte vor dem Kamin sollte er entfernen. Das war leichter gesagt als getan, denn die Dielen auf dem Boden waren sorgfältig festgenagelt. Clara blickte sich neugierig in der Stube um, während Ritter Martin neben ihn trat. „Das wirst Du brauchen“, sagte er zu Siegfried und reichte ihm sein Schwert. „Danke Herr Ritter“, antwortete dieser und begann den Boden vor dem Kamin nach einem schmalen Spalt abzusuchen. Als er schließlich einen gefunden hatte, setzte er das Schwert als Hebel ein und konnte so die Diele vom restlichen Boden lösen.


Er griff hinein stieß auf einen großen, rechteckigen Stein, der sich nicht vom Boden entfernen ließ. Er tastete ihn sorgfältig ab und fand schließlich heraus, dass man die Oberseite des Steins zur Seite schieben konnte. Darunter kam eine kunstvoll verzierte Holzkiste zum Vorschein, die er vorsichtig heraushob und auf den Tisch legte. Gespannt standen sie um die Kiste herum, als er sie öffnete. In ihrem Innern befand sich eine versiegelte Schriftrolle. Er brach das Siegel, rollte sie auf und begann zu lesen:


„Hiermit bestätige ich die Geburt meines Sohnes Jan Magnus von Tüschenfels, am 20. des Monats Juni, im Jahre 1002 unserer Zeitrechnung, durch meine Gemahlin Elana. Im Angesicht einer feindlichen Übermacht übergebe ich ihn meinem treuen Freund, Ritter Gerwin, auf dass er ihn mit seiner Frau Gerlinde gemeinsam großziehe, als wäre er sein eigen Fleisch und Blut. Sollte mir die Rückkehr auf den Thron verwehrt bleiben, so möge fortan mein Sohn, als mein rechtmäßiger Erbe, an meiner Stelle das Königreich unserer Väter regieren. Erkennen kann man ihn an einem Muttermal, welches die Form eines Halbkreises, gleich der untergehenden Sonne hat und sich auf seiner linken Brust befindet. Ferner übergebe ich Ritter Gerwin einen Dolch mit seinen Initialen, sowie den Siegelring des Hauses Tüschenfels.“


gezeichnet König Ralf von Tüschenfels


Zum wiederholten Male heute herrschte für einige Augenblicke vollkommene Stille. Ungläubig starrte Siegfried auf die Schriftrolle, die er noch immer in seinen Händen hielt. „Dieses Muttermal“, brachte Clara schließlich hervor, „ich habe es gesehen. Es stimmt, Du bist ein Prinz. Prinz Jan Magnus von Tüschenfels.“


„Ich kenne das Königreich, bzw. kannte es“, ließ Ritter Martin nun verlauten. „Es war ein kleineres Königreich, noch kleiner als das in dem wir leben und es wurde damals von einem mächtigen Gegner erobert. Der König und die Königin flohen und nur wenige Ritter waren zur Verteidigung der Burg geblieben. Die Ritter des Königs hatten sich zerstreut und er selbst wurde niemals wieder gesehen. Das war zu der Zeit, als ich gerade zum Ritter geschlagen worden war. Von einem Thronfolger ist mir jedoch nichts bekannt.“


Siegfried stand immer noch sehr nachdenklich vor der Kiste. Er blickte erneut hinein und entdeckte darin einen Lederbeutel und ein zusammengerolltes Leinentuch. Ansonsten war die Kiste leer. Er öffnete den Lederbeutel und beförderte einen Siegelring aus seinem Inneren. Dann nahm er das Leinentuch heraus und ließ dessen Inhalt zum Vorschein kommen. Es war ein schöner, schlanker Dolch, mit einem schlicht gearbeiteten Griff aus purem Gold. In der Klinge waren die Initialen J M v T eingraviert. Alles, was in der Schriftrolle stand, passte zusammen.


Als Siegfried sich zu Clara und Ritter Martin umdrehte, zog diese den Stoff seines Leinenhemds etwas herunter und entblößte den Teil seiner Brust, auf dem sich das Muttermal befand, so dass der Ritter es auch sehen konnte. Dieser nickte bedächtig und sagte: „Wer hätte das gedacht, dass aus dem zurückhaltenden Stallburschen Siegfried an nur einem Tag ein echter Prinz wird?“ Dann deutete er eine Verbeugung an und sprach: „Lang lebe Prinz Jan Magnus von Tüschenfels!“


***


Nach ihrer Rückkehr berichteten sie dem König, was geschehen war. Dieser freute sich über den neuen Titel seines zukünftigen Schwiegersohns und ließ ihm sogleich ein angemessenes Gemach herrichten. Siegfrieds Zeit als Stallbursche war endgültig vorbei, doch er bestand darauf seine Ausbildung als Knappe von Ritter Martin zu beginnen um diese möglichst bald erfolgreich als Ritter zu beenden. Er war weiterhin beim Volk beliebt und auch die Edelleute respektierten ihn nun, so dass es bei der in der Zukunft geplanten Hochzeit mit der Prinzessin keinen Unmut geben würde.


Als Clara schließlich einige Tage später mit ihm oben im höchsten Turm der Burg saß und sie in die Ferne blickten, bemerkte sie, dass er wie abwesend wirkte. „Was ist los? Bekommst Du beim Gedanken an unsere Hochzeit kalte Füße?“, fragte sie mit einem schelmischen Lächeln. „Was? Ach nein“, erwiderte er nachdenklich. „Ich wünschte nur manchmal, dass ich immer noch der Stallbursche wäre und nicht das Vermächtnis eines verlorenen Königreiches mit mir herumtragen würde.“


„Daran lässt sich jetzt leider nichts mehr ändern. Warum musstest Du auch so gut mit dem Schwert kämpfen? Du wolltest mich doch nicht etwas beeindrucken?“, versuchte Clara ihn aufzuziehen.


„Aber nicht doch, wie kommst Du denn darauf?“, musste nun auch Siegfried grinsen. „Vielleicht ein kleines bisschen.“


„Das ist Dir auch gelungen. Aber ich hätte Dich auch weiterhin geliebt, wenn Du über Dein Schwert gestolpert und hingefallen wärst“, antwortete Clara mit einem Lächeln. Dann küsste sie ihn und beide sahen einer glücklichen, gemeinsamen Zukunft entgegen. 


ENDE

© 2023 Guido Lehmann / Geschichten-fuer-Kinder.de


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